Paleo von Peter Rustemeyer – erschienen im Hans im Glück Verlag
Es ist immer wieder spannend, was man so entdeckt, wenn man nach bestimmten Namen im Internet sucht. Da gibt es bspw. den amerikanischen Songwriter David Strackany, der sich selbst Paleo nennt. Oder man findet eine Paleo-Diät. Ich lehne mich aber wahrscheinlich nicht all zu weit aus dem Fenster, wenn mit PALEO die Abkürzung des englischen Begriffes 'Paleontology' gemeint ist, was im deutschen eben die Paläontologie ist.
Thema... wir sind ein Stamm von Steinzeitmenschen und wollen schlicht und einfach überleben – und dabei noch ein wenig unsere eigene Kultur entwickeln. So stellen wir uns den täglichen Gefahren auf der Suche nach Nahrung und nützlichen Rohstoffen. Und wenn wir mal eine ruhige Minute am Lagerfeuer haben, dann versuchen wir nützliche Ideen und Inspirationen zu entwickeln.
Illustrationen… stammen von Dominik Mayer – und dieser hat mich mit seinen Arbeiten zu PALEO wieder schwer beeindruckt. Der gewählte Stil ist sicherlich ungewöhnlich, insbesondere in Bezug zum Steinzeit-Thema. Aber durch die Art der Illustrationen wird eine Dynamik erschaffen, die sehr gut das Spielgefühl unterstützt. Darüber hinaus ist die gewählte Symbol-Sprache eindeutig, wenn es auch ein wenig Zeit braucht, die Systematik zu begreifen.
Ausstattung… kommt mit zwei Gimmicks daher: einem Kartenhalter sowie einem Karten-Friedhof, die jeweils aus Pappe zusammengesteckt werden müssen. Ansonsten dominieren die 222 Karten, die allerdings nie alle benötigt werden. Denn PALEO enthält einzelne Module, für die jeweils eigene Kartendecks benutzt werden. Trotzdem gibt es natürlich einen festen Stamm an Karten, bspw. (Achtung, schlechter Wortwitz) für die einzelnen Stammesangehörigen. Zusätzlich sind noch Holzteile für die Ressourcen und Pappplättchen für Werkzeuge sowie als Schadens‑, Siegpunkt- und Verlierpunktmarker in der Box. Damit alles gut auf dem Tisch sortiert werden kann, hat man drei Tableaus zur Verfügung. Abgerundet wird die Ausstattung von zwei Würfeln, die allerdings die unglückliche Angewohnheit haben, im Spiel immer das Falsche anzuzeigen.
Noch ein Wort zu den Karten. Diese unterteilt man einerseits in Menschen, Träume, Ideen, Geheimnisse sowie Missionskarten und legt diese auf die jeweiligen Tableaus ab. Andererseits gibt es noch die Basiskarten und Modulkarten aus denen man einen gemeinsamen Kartenpool erzeugt, der am Anfang eines Tages zu Rundenbeginn immer gleichmäßig und verdeckt an alle Mitspielenden verteilt wird. Die einzelnen Karten kommen dabei mit unterschiedlichen Rückseiten daher. Im Laufe einer Partie kann man sich daran orientieren, was sich dahinter verbergen könnte – sicher kann man sich allerdings nie dabei sein. Ein besonderer Kartentyp dabei sind die Gefahrenkarten, die meist nicht grundlos in gefährlich roter Farbe daher kommen. Aber wie das immer so im Leben ist: manche Gefahr birgt auch eine große Chance...
Ablauf… Jede Person sieht sich am Tagesbeginn vom eigenen Kartenstapel die ersten drei Kartenrückseiten an und spielt eine aus. Diese Rückseiten geben eine grobe Orientierung, was man gleich danach erleben wird. Suche ich mir bspw. die Waldkarte aus, dann begebe ich mich danach in selbigen und kann dadurch wahrscheinlich Holz einsammeln oder auch Nahrung finden. Vielleicht kann ich aber auch ein Tier jagen – oder werde von einem gejagt! Da PALEO ein kooperatives Spiel ist, kann man aber meist auf das eigene Erkunden verzichten und lieber den anderen Mitspielenden hilfreich zu Hand gehen. Denn für die meisten Aktionen muss ich Fähigkeiten vorweisen, die den Talenten der einzelnen Männern und Frauen meines Stammes entsprechen. Habe ich dann noch passende Werkzeuge zur Verfügung, kann ich damit meine Fähigkeiten erweitern.
Um die Aktionen durchzuführen, muss man meist weitere Handkarten abwerfen, womit die benötigte Zeit dafür simuliert wird. Dabei sollte man es vermeiden, dafür all zu viele Gefahrenkarten zu verwenden, weil dadurch sich unsere Stammesangehörigen verletzen oder gar sterben können. Das kann allerdings auch passieren, wenn man die Gefahrenkarten als aktive Aktion ausspielt, so dass man immer am Abwägen ist, in welcher Reihenfolge man die Karten spielen soll. Zumal beim Erkunden immer negative wie positive Überraschungen zu Tage kommen können.
Das machen alle so lange, bis die eigenen Handkarten ausgespielt wurden. Dann ist der Tag zu Ende und bevor diese Prozedur durch das Mischen und Verteilen der ausgespielten Karten von neuem beginnt, wollen die Stammesangehörigen ernährt werden. Zusätzlich müssen die vorgegebenen Missionen erfüllt werden, wofür man bspw. Rohstoffe oder Werkzeuge abgeben muss. Scheitert man bei diesen Abendaufgaben, erhält man Totenköpfe – und hat man fünf davon gesammelt, so ist die Partie verloren. Als Gegenpart dazu sammelt man im Laufe des Tages durch das Erfüllen besonderer Aufgaben fünf Siegpunkte, um somit die Partie zu gewinnen.
Das gefällt mir nicht so gut: Es braucht ein wenig Forschungsdrang, um sich über die Anleitung die Regeln zu erschließen. Nicht alles ist klar genug bzw. an den richtigen Stellen formuliert. Allerdings ist eine Anpassung der Anleitung schon angekündigt und das wird sich in den nachfolgenden Auflagen hoffentlich bemerkbar machen. Bis dahin kann ich das umfangreiche FAQ-Dokument auf der Verlagswebseite empfehlen. Zusätzlich darf man diese Problematik auch nicht überbewerten, da sich die meisten Lösungen von Unklarheiten richtig aus der Thematik erklären lassen. Oftmals ergeben sich Fragen von selbst, wenn man sich die eigentliche Situation verinnerlicht. Zusätzlich ist das Spiel auch robust genug, um den ein oder anderen anfänglichen Fehler begehen zu können.
Schade ist nur, dass das Tauschen von Gegenständen nicht so ohne weiteres möglich ist. Man kann sich zwar oftmals helfen, aber bei diesen Treffen kann man eben nicht ein Fell oder Amulett übergeben. Das ist ein Punkt, der sich nicht mit dem intuitiven Spiel vereinbaren lässt und deswegen etwas unschön heraus sticht. Wahrscheinlich wäre das Spiel ansonsten zu einfach bzw. es hätte an anderer Stelle wieder regulierend eingegriffen werden müssen. So muss man diese Einschränkung akzeptieren.
Die einzelnen Module sorgen für einen großen Sog, diese komplett entdecken zu wollen. Dann hat PALEO etwas von einem Kampagnenspiel. Allerdings fehlt dazu eine umfassende Geschichte als gemeinsame Klammer – was sehr schade ist, denn dafür wäre definitiv die Möglichkeit gegeben. Hat man die einzelnen Module geschafft, fühlt sich PALEO ein wenig ausgespielt an. Das ist es natürlich nicht, denn auch die Wiederholungen sind reizvoll, da es keinen Königsweg zum erfolgreichen Spiel gibt und immer auch die Zufallskomponenten eine Rolle spielen. Aber man kennt dann eben schon einige Karten. Man weiß, was einen erwartet und geht gezielter vor. Dadurch fehlt ein wenig das Entdecker-Element, was doch einen großen Reiz ausübt. Aber ich bin mir sicher, dass diesbezüglich auch bald noch für Nachschub gesorgt wird.
Wie oftmals bei kooperativen Spielen, so existiert auch bei PALEO das Alphaspieler-Phänomen. Das ist nicht ganz so ausgeprägt wie bei anderen Spielen aus dem Genre, da die meisten Informationen nur angedeutet werden und ohnehin einige Zufallskomponenten enthalten sind. Trotzdem können sich auch bei PALEO manche Personen dazu berufen fühlen, allen anderen zu sagen, was nun zu tun ist. Wer diesem Phänomen gänzlich die kalte Schulter zeigen will, kann sich dem Spiel auch alleine annehmen. In der Anleitung ist ein Passus aufgeführt, wie man PALEO solo spielen kann. Aber das Spiel wird nicht grundlos als Gruppenspiel empfohlen. Mir fehlt beim Solo-Spiel die spezielle Dynamik, die durch das gemeinsame Helfen erzeugt wird. Auf der anderen Seite ist PALEO zu viert in meinen Augen etwas schwächer als zu dritt oder zu zweit. Die eigenen Kartenstapel sind kleiner, die Tage dadurch kürzer und der Ernährungsdruck anfangs auch noch höher. Allerdings kann man natürlich durch konzentriertes Helfen auch früher schwerere Gefahren bestehen. Aber man muss sich zu viert mehr absprechen und öfters mit der eigenen Aktion zurückstecken, so dass ein wenig das Gefühl verloren geht, selbst aktiv zusein.
Das gefällt mir gut: PALEO ist spannend, fordernd, überraschend, außerordentlich, unterhaltend, thematisch, wunderschön ... so könnte ich noch eine Weile weitermachen. Aber auch ohne diese Lobhudelei sollte deutlich geworden sein, dass mir PALEO durchaus ein wenig gefällt.
Ich finde es erstaunlich, wie einfach das eigentliche System ist und wie viel damit erlebt werden kann. Durch die einzelnen Durchgänge bekommt man langsam aber sich ein Gefühl dafür, was uns bei den aktuellen Modulen erwartet. Da gibt es bspw. eine Höhlenkarte, bei der ich diese und jene Fähigkeiten benötige. Für diesen Fall kann ich nun ein wenig planen und mich entsprechend ausrüsten. Allerdings ist gar nicht sicher, ob ich diese Karte nochmals bekommen werde. Und dann wird sie vielleicht zu einem Zeitpunkt von einer anderen Person gespielt, an dem ich gar nicht helfen kann. Außerdem gibt es eben auch nicht nur diese eine Höhlenkarte, sondern auch noch weitere, die ganz andere Fähigkeiten benötigen. Bei PALEO stochert man immer ein wenig im Nebel. Mit der Zeit lichtet sich dieser immer mehr, aber hundertprozentig klare Sicht hat man nie – und somit bleibt eine Partie spannend.
Deswegen habe ich auch kein Problem damit, schon gewonnene Missionen nochmals zu spielen. Denn man hat keine Garantie, dass man diese gewinnen wird. Zusätzlich kann man mit kleinen Anpassungen gut den Schwierigkeitsgrad skalieren. Dadurch kann man PALEO gut in Gruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen spielen. Aufgrund des kooperativen Charakters kann man auch gut mit Personen spielen, die noch nicht so erfahren sind. In meinen Augen ist PALEO ganz klar ein Kennerspiel, aber es können auch schon Kinder mitspielen, wenn man diesen hilft. Grund dafür ist, dass sich das Meiste thematisch erklären lässt – inklusive des Abwerfens der Handkarten, weil damit die verbrauchte Zeit simuliert wird. Die Mechanik von PALEO wirkt somit nicht irgendwie übergestülpt, sondern sie ist hilft auch wunderbar bei der Vermittlung der Spielidee.
Bei PALEO müssen dauernd viele kleine Entscheidungen getroffen werden, die mal große aber auch mal gar keine Auswirkungen haben. Alles ist dauernd im Fluss. Alle sind jederzeit eingebunden – und sei es nur durch mehr oder weniger gute Ratschläge. Zusätzlich erlebt man zusammen ein Abenteuer. Vor allem am Anfang wird man nicht in der Lage sein, alleine alle Gefahren abzuwehren oder Tier erfolgreich zu jagen, damit die Ernährung gesichert wird. Man muss sich somit gegenseitig helfen. Ist man dann zusammen erfolgreich, ist das schlicht ein schönes Gefühl. Die Aussage ist klar: nur zusammen sind wir stark – und das ist eine starke Botschaft!
Zusätzlich ist PALEO auch wunderschön gestaltet. Die Papp-Aufsteller hätte es gar nicht benötigt, zumal man sich die Frage stellen muss, wie man diese denn überhaupt vernünftig in die Box bekommt. Aber diese eigentlich unnötigen Elemente zeigen gut die Liebe zum Detail, die in das Projekt geflossen sind. Ein weiteres Beispiel dafür sind die fünf zu sammelnden Siegpunkte, die am Ende dann ein tolles Mammut-Fresko darstellen.
Fazit: Nun hat auch der Hans im Glück Verlag ein kooperatives Spiel im Angebot – und was für eines! PALEO schafft es stimmig das Steinzeit-Thema in ein spannendes Spiel umzusetzen. Wer in heutigen Zeiten gerne Eskapismus begehen will, sollte mit einem Ausflug in die prähistorische Epoche liebäugeln.
Titel | Paleo |
---|---|
Autor | Peter Rustemeyer |
Illustrationen | DominikMayer |
Dauer | 45 bis 60 Minuten |
Personenanzahl | (1) 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | kooperative Kennerspielrunden |
Verlag | Hans im Glück Verlag |
Jahr | 2020 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
Abenteuer ausgezeichnet Brettspiel Dominik Mayer Hans im Glück Kennerspiel kooperativ kritisch gespielt Peter Rustemeyer Steinzeit