Paleo von Peter Rustemeyer kritisch gespielt | www.fjelfras.de (2023)

Paleo von Peter Rustemeyer – erschienen im Hans im Glück Verlag

Es ist immer wie­der span­nend, was man so ent­deckt, wenn man nach bestimm­ten Namen im Inter­net sucht. Da gibt es bspw. den ame­ri­ka­ni­schen Song­wri­ter David Strack­any, der sich selbst Paleo nennt. Oder man fin­det eine Paleo-Diät. Ich leh­ne mich aber wahr­schein­lich nicht all zu weit aus dem Fens­ter, wenn mit PALEO die Abkür­zung des eng­li­schen Begrif­fes 'Pale­on­to­lo­gy' gemeint ist, was im deut­schen eben die Palä­on­to­lo­gie ist.

The­ma... wir sind ein Stamm von Stein­zeit­men­schen und wol­len schlicht und ein­fach über­le­ben – und dabei noch ein wenig unse­re eige­ne Kul­tur ent­wi­ckeln. So stel­len wir uns den täg­li­chen Gefah­ren auf der Suche nach Nah­rung und nütz­li­chen Roh­stof­fen. Und wenn wir mal eine ruhi­ge Minu­te am Lager­feu­er haben, dann ver­su­chen wir nütz­li­che Ideen und Inspi­ra­tio­nen zu entwickeln.

Illus­tra­tio­nen… stam­men von Domi­nik May­er – und die­ser hat mich mit sei­nen Arbei­ten zu PALEO wie­der schwer beein­druckt. Der gewähl­te Stil ist sicher­lich unge­wöhn­lich, ins­be­son­de­re in Bezug zum Stein­zeit-The­ma. Aber durch die Art der Illus­tra­tio­nen wird eine Dyna­mik erschaf­fen, die sehr gut das Spiel­ge­fühl unter­stützt. Dar­über hin­aus ist die gewähl­te Sym­bol-Spra­che ein­deu­tig, wenn es auch ein wenig Zeit braucht, die Sys­te­ma­tik zu begreifen.

Aus­stat­tung… kommt mit zwei Gim­micks daher: einem Kar­ten­hal­ter sowie einem Kar­ten-Fried­hof, die jeweils aus Pap­pe zusam­men­ge­steckt wer­den müs­sen. Ansons­ten domi­nie­ren die 222 Kar­ten, die aller­dings nie alle benö­tigt wer­den. Denn PALEO ent­hält ein­zel­ne Modu­le, für die jeweils eige­ne Kar­ten­decks benutzt wer­den. Trotz­dem gibt es natür­lich einen fes­ten Stamm an Kar­ten, bspw. (Ach­tung, schlech­ter Wort­witz) für die ein­zel­nen Stam­mes­an­ge­hö­ri­gen. Zusätz­lich sind noch Holz­tei­le für die Res­sour­cen und Pappplätt­chen für Werk­zeu­ge sowie als Schadens‑, Sieg­punkt- und Ver­lier­punkt­mar­ker in der Box. Damit alles gut auf dem Tisch sor­tiert wer­den kann, hat man drei Tableaus zur Ver­fü­gung. Abge­run­det wird die Aus­stat­tung von zwei Wür­feln, die aller­dings die unglück­li­che Ange­wohn­heit haben, im Spiel immer das Fal­sche anzuzeigen.

Noch ein Wort zu den Kar­ten. Die­se unter­teilt man einer­seits in Men­schen, Träu­me, Ideen, Geheim­nis­se sowie Mis­si­ons­kar­ten und legt die­se auf die jewei­li­gen Tableaus ab. Ande­rer­seits gibt es noch die Basis­kar­ten und Modul­kar­ten aus denen man einen gemein­sa­men Kar­ten­pool erzeugt, der am Anfang eines Tages zu Run­den­be­ginn immer gleich­mä­ßig und ver­deckt an alle Mit­spie­len­den ver­teilt wird. Die ein­zel­nen Kar­ten kom­men dabei mit unter­schied­li­chen Rück­sei­ten daher. Im Lau­fe einer Par­tie kann man sich dar­an ori­en­tie­ren, was sich dahin­ter ver­ber­gen könn­te – sicher kann man sich aller­dings nie dabei sein. Ein beson­de­rer Kar­ten­typ dabei sind die Gefah­ren­kar­ten, die meist nicht grund­los in gefähr­lich roter Far­be daher kom­men. Aber wie das immer so im Leben ist: man­che Gefahr birgt auch eine gro­ße Chance...

Ablauf… Jede Per­son sieht sich am Tages­be­ginn vom eige­nen Kar­ten­sta­pel die ers­ten drei Kar­ten­rück­sei­ten an und spielt eine aus. Die­se Rück­sei­ten geben eine gro­be Ori­en­tie­rung, was man gleich danach erle­ben wird. Suche ich mir bspw. die Wald­kar­te aus, dann bege­be ich mich danach in sel­bi­gen und kann dadurch wahr­schein­lich Holz ein­sam­meln oder auch Nah­rung fin­den. Viel­leicht kann ich aber auch ein Tier jagen – oder wer­de von einem gejagt! Da PALEO ein koope­ra­ti­ves Spiel ist, kann man aber meist auf das eige­ne Erkun­den ver­zich­ten und lie­ber den ande­ren Mit­spie­len­den hilf­reich zu Hand gehen. Denn für die meis­ten Aktio­nen muss ich Fähig­kei­ten vor­wei­sen, die den Talen­ten der ein­zel­nen Män­nern und Frau­en mei­nes Stam­mes ent­spre­chen. Habe ich dann noch pas­sen­de Werk­zeu­ge zur Ver­fü­gung, kann ich damit mei­ne Fähig­kei­ten erweitern.

Um die Aktio­nen durch­zu­füh­ren, muss man meist wei­te­re Hand­kar­ten abwer­fen, womit die benö­tig­te Zeit dafür simu­liert wird. Dabei soll­te man es ver­mei­den, dafür all zu vie­le Gefah­ren­kar­ten zu ver­wen­den, weil dadurch sich unse­re Stam­mes­an­ge­hö­ri­gen ver­let­zen oder gar ster­ben kön­nen. Das kann aller­dings auch pas­sie­ren, wenn man die Gefah­ren­kar­ten als akti­ve Akti­on aus­spielt, so dass man immer am Abwä­gen ist, in wel­cher Rei­hen­fol­ge man die Kar­ten spie­len soll. Zumal beim Erkun­den immer nega­ti­ve wie posi­ti­ve Über­ra­schun­gen zu Tage kom­men können.

Das machen alle so lan­ge, bis die eige­nen Hand­kar­ten aus­ge­spielt wur­den. Dann ist der Tag zu Ende und bevor die­se Pro­ze­dur durch das Mischen und Ver­tei­len der aus­ge­spiel­ten Kar­ten von neu­em beginnt, wol­len die Stam­mes­an­ge­hö­ri­gen ernährt wer­den. Zusätz­lich müs­sen die vor­ge­ge­be­nen Mis­sio­nen erfüllt wer­den, wofür man bspw. Roh­stof­fe oder Werk­zeu­ge abge­ben muss. Schei­tert man bei die­sen Abend­auf­ga­ben, erhält man Toten­köp­fe – und hat man fünf davon gesam­melt, so ist die Par­tie ver­lo­ren. Als Gegen­part dazu sam­melt man im Lau­fe des Tages durch das Erfül­len beson­de­rer Auf­ga­ben fünf Sieg­punk­te, um somit die Par­tie zu gewinnen.

Das gefällt mir nicht so gut: Es braucht ein wenig For­schungs­drang, um sich über die Anlei­tung die Regeln zu erschlie­ßen. Nicht alles ist klar genug bzw. an den rich­ti­gen Stel­len for­mu­liert. Aller­dings ist eine Anpas­sung der Anlei­tung schon ange­kün­digt und das wird sich in den nach­fol­gen­den Auf­la­gen hof­fent­lich bemerk­bar machen. Bis dahin kann ich das umfang­rei­che FAQ-Doku­ment auf der Ver­lags­web­sei­te emp­feh­len. Zusätz­lich darf man die­se Pro­ble­ma­tik auch nicht über­be­wer­ten, da sich die meis­ten Lösun­gen von Unklar­hei­ten rich­tig aus der The­ma­tik erklä­ren las­sen. Oft­mals erge­ben sich Fra­gen von selbst, wenn man sich die eigent­li­che Situa­ti­on ver­in­ner­licht. Zusätz­lich ist das Spiel auch robust genug, um den ein oder ande­ren anfäng­li­chen Feh­ler bege­hen zu können.

Scha­de ist nur, dass das Tau­schen von Gegen­stän­den nicht so ohne wei­te­res mög­lich ist. Man kann sich zwar oft­mals hel­fen, aber bei die­sen Tref­fen kann man eben nicht ein Fell oder Amu­lett über­ge­ben. Das ist ein Punkt, der sich nicht mit dem intui­ti­ven Spiel ver­ein­ba­ren lässt und des­we­gen etwas unschön her­aus sticht. Wahr­schein­lich wäre das Spiel ansons­ten zu ein­fach bzw. es hät­te an ande­rer Stel­le wie­der regu­lie­rend ein­ge­grif­fen wer­den müs­sen. So muss man die­se Ein­schrän­kung akzeptieren.

Die ein­zel­nen Modu­le sor­gen für einen gro­ßen Sog, die­se kom­plett ent­de­cken zu wol­len. Dann hat PALEO etwas von einem Kam­pa­gnen­spiel. Aller­dings fehlt dazu eine umfas­sen­de Geschich­te als gemein­sa­me Klam­mer – was sehr scha­de ist, denn dafür wäre defi­ni­tiv die Mög­lich­keit gege­ben. Hat man die ein­zel­nen Modu­le geschafft, fühlt sich PALEO ein wenig aus­ge­spielt an. Das ist es natür­lich nicht, denn auch die Wie­der­ho­lun­gen sind reiz­voll, da es kei­nen Königs­weg zum erfolg­rei­chen Spiel gibt und immer auch die Zufalls­kom­po­nen­ten eine Rol­le spie­len. Aber man kennt dann eben schon eini­ge Kar­ten. Man weiß, was einen erwar­tet und geht geziel­ter vor. Dadurch fehlt ein wenig das Ent­de­cker-Ele­ment, was doch einen gro­ßen Reiz aus­übt. Aber ich bin mir sicher, dass dies­be­züg­lich auch bald noch für Nach­schub gesorgt wird.

Wie oft­mals bei koope­ra­ti­ven Spie­len, so exis­tiert auch bei PALEO das Alpha­spie­ler-Phä­no­men. Das ist nicht ganz so aus­ge­prägt wie bei ande­ren Spie­len aus dem Gen­re, da die meis­ten Infor­ma­tio­nen nur ange­deu­tet wer­den und ohne­hin eini­ge Zufalls­kom­po­nen­ten ent­hal­ten sind. Trotz­dem kön­nen sich auch bei PALEO man­che Per­so­nen dazu beru­fen füh­len, allen ande­ren zu sagen, was nun zu tun ist. Wer die­sem Phä­no­men gänz­lich die kal­te Schul­ter zei­gen will, kann sich dem Spiel auch allei­ne anneh­men. In der Anlei­tung ist ein Pas­sus auf­ge­führt, wie man PALEO solo spie­len kann. Aber das Spiel wird nicht grund­los als Grup­pen­spiel emp­foh­len. Mir fehlt beim Solo-Spiel die spe­zi­el­le Dyna­mik, die durch das gemein­sa­me Hel­fen erzeugt wird. Auf der ande­ren Sei­te ist PALEO zu viert in mei­nen Augen etwas schwä­cher als zu dritt oder zu zweit. Die eige­nen Kar­ten­sta­pel sind klei­ner, die Tage dadurch kür­zer und der Ernäh­rungs­druck anfangs auch noch höher. Aller­dings kann man natür­lich durch kon­zen­trier­tes Hel­fen auch frü­her schwe­re­re Gefah­ren bestehen. Aber man muss sich zu viert mehr abspre­chen und öfters mit der eige­nen Akti­on zurück­ste­cken, so dass ein wenig das Gefühl ver­lo­ren geht, selbst aktiv zusein.

Das gefällt mir gut: PALEO ist span­nend, for­dernd, über­ra­schend, außer­or­dent­lich, unter­hal­tend, the­ma­tisch, wun­der­schön ... so könn­te ich noch eine Wei­le wei­ter­ma­chen. Aber auch ohne die­se Lob­hu­de­lei soll­te deut­lich gewor­den sein, dass mir PALEO durch­aus ein wenig gefällt.

Ich fin­de es erstaun­lich, wie ein­fach das eigent­li­che Sys­tem ist und wie viel damit erlebt wer­den kann. Durch die ein­zel­nen Durch­gän­ge bekommt man lang­sam aber sich ein Gefühl dafür, was uns bei den aktu­el­len Modu­len erwar­tet. Da gibt es bspw. eine Höh­lenkar­te, bei der ich die­se und jene Fähig­kei­ten benö­ti­ge. Für die­sen Fall kann ich nun ein wenig pla­nen und mich ent­spre­chend aus­rüs­ten. Aller­dings ist gar nicht sicher, ob ich die­se Kar­te noch­mals bekom­men wer­de. Und dann wird sie viel­leicht zu einem Zeit­punkt von einer ande­ren Per­son gespielt, an dem ich gar nicht hel­fen kann. Außer­dem gibt es eben auch nicht nur die­se eine Höh­lenkar­te, son­dern auch noch wei­te­re, die ganz ande­re Fähig­kei­ten benö­ti­gen. Bei PALEO sto­chert man immer ein wenig im Nebel. Mit der Zeit lich­tet sich die­ser immer mehr, aber hun­dert­pro­zen­tig kla­re Sicht hat man nie – und somit bleibt eine Par­tie spannend.

Des­we­gen habe ich auch kein Pro­blem damit, schon gewon­ne­ne Mis­sio­nen noch­mals zu spie­len. Denn man hat kei­ne Garan­tie, dass man die­se gewin­nen wird. Zusätz­lich kann man mit klei­nen Anpas­sun­gen gut den Schwie­rig­keits­grad ska­lie­ren. Dadurch kann man PALEO gut in Grup­pen mit unter­schied­li­chen Bedürf­nis­sen spie­len. Auf­grund des koope­ra­ti­ven Cha­rak­ters kann man auch gut mit Per­so­nen spie­len, die noch nicht so erfah­ren sind. In mei­nen Augen ist PALEO ganz klar ein Ken­ner­spiel, aber es kön­nen auch schon Kin­der mit­spie­len, wenn man die­sen hilft. Grund dafür ist, dass sich das Meis­te the­ma­tisch erklä­ren lässt – inklu­si­ve des Abwer­fens der Hand­kar­ten, weil damit die ver­brauch­te Zeit simu­liert wird. Die Mecha­nik von PALEO wirkt somit nicht irgend­wie über­ge­stülpt, son­dern sie ist hilft auch wun­der­bar bei der Ver­mitt­lung der Spielidee.

Bei PALEO müs­sen dau­ernd vie­le klei­ne Ent­schei­dun­gen getrof­fen wer­den, die mal gro­ße aber auch mal gar kei­ne Aus­wir­kun­gen haben. Alles ist dau­ernd im Fluss. Alle sind jeder­zeit ein­ge­bun­den – und sei es nur durch mehr oder weni­ger gute Rat­schlä­ge. Zusätz­lich erlebt man zusam­men ein Aben­teu­er. Vor allem am Anfang wird man nicht in der Lage sein, allei­ne alle Gefah­ren abzu­weh­ren oder Tier erfolg­reich zu jagen, damit die Ernäh­rung gesi­chert wird. Man muss sich somit gegen­sei­tig hel­fen. Ist man dann zusam­men erfolg­reich, ist das schlicht ein schö­nes Gefühl. Die Aus­sa­ge ist klar: nur zusam­men sind wir stark – und das ist eine star­ke Botschaft!

Zusätz­lich ist PALEO auch wun­der­schön gestal­tet. Die Papp-Auf­stel­ler hät­te es gar nicht benö­tigt, zumal man sich die Fra­ge stel­len muss, wie man die­se denn über­haupt ver­nünf­tig in die Box bekommt. Aber die­se eigent­lich unnö­ti­gen Ele­men­te zei­gen gut die Lie­be zum Detail, die in das Pro­jekt geflos­sen sind. Ein wei­te­res Bei­spiel dafür sind die fünf zu sam­meln­den Sieg­punk­te, die am Ende dann ein tol­les Mam­mut-Fres­ko darstellen.

Fazit: Nun hat auch der Hans im Glück Ver­lag ein koope­ra­ti­ves Spiel im Ange­bot – und was für eines! PALEO schafft es stim­mig das Stein­zeit-The­ma in ein span­nen­des Spiel umzu­set­zen. Wer in heu­ti­gen Zei­ten ger­ne Eska­pis­mus bege­hen will, soll­te mit einem Aus­flug in die prä­his­to­ri­sche Epo­che liebäugeln.

TitelPaleo
AutorPeter Rus­te­mey­er
Illus­tra­tio­nenDomi­nikMayer
Dau­er45 bis 60 Minuten
Per­so­nen­an­zahl(1) 2 bis 4 Personen
Ziel­grup­pekoope­ra­ti­ve Kennerspielrunden
Ver­lagHans im Glück Verlag
Jahr2020
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­de vom Ver­lag ein Rezen­si­ons­exem­plar zur Ver­fü­gung gestellt

Abenteuer ausgezeichnet Brettspiel Dominik Mayer Hans im Glück Kennerspiel kooperativ kritisch gespielt Peter Rustemeyer Steinzeit

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Author: Jamar Nader

Last Updated: 03/22/2023

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